Zuvor besuchte Harald Zepp zusammen mit Kollegen der CAS Trockengebiete in der Autonomen Provinz Xinjiang. Es sollte auch die Hochgebirgslandschaft im Nordwesten der Provinz Sichuan erkundet werden. Doch machte ein Erdbeben der Stärke 6,6 diese Pläne zunichte. Das Epizentrum lag in nur 10 km Entfernung vom Aufenthaltsort. Statt des geplanten Besuchs des Weltnaturerbes Jiuzhaigou musste die Nacht im Freien verbracht und sämtliches Gepäck zunächst im Hotel gelassen werden.
Strom und Wasserversorgung waren unterbrochen. Nach dem stärksten Beben abends um 21.19 Uhr folgten bis zum Morgen im Halbstundentakt weitere, Angst einflößende und zum Teil recht kräftige Nachbeben der Stärke 4-5, die jedes Mal die im Hof des Hotels Versammelten aufschrecken ließen. Es war immer damit zu rechnen, dass von den Hängen des Engtals Gesteinsmassen auf die Siedlung im Talboden herabstürzen. Das trat glücklicherweise nicht ein. Ebenso wie 47.000 andere Touristen, die sich in der Nacht im Erdbebengebiet aufhielten, stand am nächsten Morgen die Evakuierung an. Das enge, nur über zwei Zufahrtsstraßen erreichbare Hochtal war wegen einer die Straße querenden Erdbebenspalte und wegen Steinschlags nur noch in eine Richtung zugänglich. Über diese Verbindung musste die gesamte, gut organisierte Hilfskette talaufwärts sowie die Evakuierung talabwärts abgewickelt werden. Noch in der Nacht waren Hilfskonvois in Gang gesetzt worden, denn obwohl die nächstgrößere Stadt ca. 6 Autostunden weit entfernt liegt, kamen bereits bei Tagesanbruch die ersten Kolonnen mit Bergungsgerät, Feuerwehrfahrzeugen, leeren Personenbussen sowie Militärfahrzeugen entgegen. Ein mit Katastrophenvorsorge befasster Wissenschaftler berichtete später bei einem Treffen in Beijing, dass unmittelbar nach der Registrierung des Bebens die Lagebeurteilung von mehr als 100.000 Betroffenen ausging und somit die rechtliche Grundlage geschaffen war, die Armee in die Rettungsaktionen einzubeziehen. Noch in der Nacht seien hohe Regierungskreise aus der Hauptstadt ins Erdbebengebiet geflogen. Insgesamt waren 20 Tote und 431 Verletzte zu beklagen. Glücklicherweise trafen Harald Zepp und seinen Kollegen nur kleinere Gesteinssplitter, die lediglich Schrammen hinterließen, während im nahen Umfeld und auf der Straße vor dem Hotel größere, durch Steinschlag bewegte Blöcke mehrere Autos zerstört hatten. Derartige Bilder begleiteten die beiden noch die gesamten 40 km und 3,5 Stunden dauernde Fahrt in die nächste Stadt. Nach 13 Stunden Busfahrt war endlich die Provinzhauptstadt Chengdu erreicht.